Unterwegs in Brandenburg
Die Lausitz im Rampenlicht – Europas erstes Net Zero Valley
Die Spannung steigt: Noch im Dezember, wird die Ausweisung der Lausitz – dem ehemaligen Braunkohlerevier in Brandenburg und Sachsen – als Europas erstes „Net Zero Valley“ erwartet. Dahinter verbirgt sich nichts Geringeres als eine Modellregion für Produktionsstätten klimafreundlicher und nachhaltiger Technologien. Gelingt der Lausitz der Wandel von der Braunkohleregion zum Hotspot „grüner Industrie“ und damit auch der Strukturwandel? Das interessiert längst auch andere Regionen, nicht nur in Deutschland. Viele schauen gebannt auf die Lausitz. Aber was verbirgt sich eigentlich genau hinter diesem „Netto Null Tal Lausitz“? Darüber sprachen wir mit Dr. Maria Marquardt, Projektkoordinatorin der Stadt Cottbus.
Das Ziel vom Net Zero Valley: politische, bürokratische und regulatorische Hürden reduzieren und Ansiedelung von Firmen, die Technologien für Netto-Null-Produktion herstellen.
Foto: Net Zero Valley Lausitz
Dr. Maria Marquardt, Projektkoordinatorin der Stadt Cottbus.
Foto: Kristin Suckau
Frau Dr. Marquardt, was genau passiert, wenn die Zusage für das Net Zero Valley kommt?
Sobald die Ausweisung offiziell erfolgt, bekommen wir zunächst den offiziellen „Stempel“ als Europas erstes Net Zero Valley. Das bedeutet, dass Unternehmen, die hier klimaneutrale Technologien produzieren, bevorzugt behandelt werden. Dafür bekommen wir in Brandenburg und Sachsen je einen Single Point of Contact, also eine Anlaufstelle, benannt. Das erleichtert den Firmen die Ansiedlung erheblich, weil sie einen einzigen Ansprechpartner für alle erforderlichen Genehmigungen erhalten. Weiterhin gilt bei Abwägungsentscheidungen das übergeordnete öffentliche Interesse und solche Anträge müssen prioritär und nicht chronologisch bearbeitet werden. Aber wir sind auch dabei, noch deutlich mehr Vorteile eines Net Zero Valleys mit den Ländern, dem Bund und auch der EU zu besprechen, die dann zu einem späteren Zeitpunkt erst Gesetzeslage werden. Gleichzeitig ist es ein Signal: Die Region ist bereit für den Wandel. Natürlich heißt das nicht, dass sofort Großinvestoren aus aller Welt anrücken, aber die strukturellen Voraussetzungen, die wir geschaffen haben, machen die Lausitz attraktiv und bereiten den Boden für zukünftige Investitionen.
Was ist genau ein Net Zero Valley?
Das Net Zero Valley ist kein Ort, an dem Strom erzeugt wird, sondern ein geographischer Raum, in dem Unternehmen Technologien entwickeln und herstellen, die für eine klimaneutrale Wirtschaft wichtig sind. Das Ziel ist, die Produktion dieser Technologien in der Lausitz attraktiv zu gestalten, bürokratische Hürden zu verringern und den Unternehmen schnellere Verfahren anzubieten. So entsteht ein Hotspot für nachhaltige Industrie, von dem nicht nur die Unternehmen profitieren, sondern auch die gesamte Region – durch Arbeitsplätze, Forschung und wirtschaftliche Impulse. Wir wollen mit diesen attraktiven Standortbedingungen in Net Zero Valleys erreichen, dass diese Produktionsstätten, in die pro Jahr weltweit hunderte von Milliarden Euros investiert werden, (auch) in der Lausitz entstehen – und nicht wie derzeit vorwiegend in Asien und Nordamerika.
Können Sie ein Beispiel für ein beschleunigtes Verfahren nennen?
Die Verfahren unterscheiden sich je nach Projekt, aber das Prinzip ist es immer dasselbe: alles geht schneller und effizienter. Normalerweise dauern Genehmigungen für Industrieprojekte zwei bis fünf Jahre. Mit dem Net Zero Valley wollen wir diese Zeit deutlich verkürzen. Das kann zum Beispiel bedeuten, dass Fördermittel vorab ausgezahlt werden, bevor ein Antrag offiziell bewilligt ist, oder dass Ausgleichsflächen für Baumaßnahmen flexibler gestaltet können – bis zu zehn Jahre später und in einem weiten Umkreis. Außerdem wollen wir Reallabore schaffen, sogenannte „regulatory Sandboxes“, in denen Unternehmen neue Technologien erproben können, ohne dass sofort alle bestehenden Regeln greifen. So können Innovationen schneller getestet und in die Praxis gebracht werden.
Welche Technologien stehen besonders im Fokus?
Nach einem umfangreichen Stakeholder-Prozess haben wir uns auf vier Hauptbereiche konzentriert: Batterie- und Energiespeichertechnologien, Stromtechnologien, Wasserstofftechnologien und Power-to-X. Davon profitieren die Unternehmen, die diese Technologien herstellen, direkt von den erleichterten Verfahren und Förderungen. Genauso profitieren aber auch von Anfang an Zulieferer und kleinere Firmen, die in der Wertschöpfungskette beteiligt sind. So entsteht ein Netzwerk, das die gesamte Region stärkt und die Lausitz zu einem echten Innovationszentrum für Produktionsstätten klimaneutraler Technologien macht.
Wie groß ist das Interesse anderer Regionen an diesem Projekt?
Sehr groß, sowohl national als auch international. Viele Besucher und Delegationen zeigen großes Interesse an dem Net Zero Valley. Die Delegation mit der weitesten Anreise kam dabei aus Australien. Wir sind in engem Austausch mit der GTAI (Germany Trade & Invest) bei der internationalen Vermarktung des Valleys. Aber auch die EU bietet uns regelmäßige Plattformen. So waren wir zum Beispiel zum Beispiel bei den EU Industry Days in Polen und in Brüssel auf verschiedenen Veranstaltungen. Auch andere Regionen in Europa wollen lernen, welche Rahmenbedingungen für ein Valley nötig sind, wie man z.B. Flächen und Technologien auswählt und welche politischen Unterstützungen sinnvoll sind. Dabei unterstützen wir gerne. Wir fungieren als First Mover, also als Vorreiter – und zeigen, wie Strukturwandel und Klimaschutz Hand in Hand gehen können.
Und wie stellen Sie sich die Lausitz in ein oder zwei Jahren vor?
Ich hoffe, dass das Valley so attraktiv gestaltet wird, dass Unternehmen, die die ausgewählten Technologien produzieren, sich hier ansiedeln möchten – und nicht im außereuropäischen Ausland. Dadurch profitieren nicht nur die Unternehmen selbst, sondern auch unsere Forschungseinrichtungen, Zulieferer und die Region insgesamt. Wir wollen, dass die Lausitz ein Paradebeispiel für zukunftsgerichtete, klimaneutrale Industrie wird – ein Ort, an dem Innovation und nachhaltige Produktion Zuhause sind. Ziel ist, dass wir bereits in kurzer Zeit erste Unternehmen erfolgreich ansiedeln und sich mittelfristig ein Industriecluster mit internationaler Strahlkraft herausbildet.
Vielen Dank für das Gespräch!
Foto: Thomas Goethe
Bewerbung zum Net Zero Valley
6. November 2024: Vertreter der Region Lausitz präsentierten auf dem „Lausitzforum 2038“ die Initiativbewerbung für ein Net Zero Valley (NZV) Lausitz und übergaben diese an das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz und die Bundesländer Sachsen und Brandenburg.
18. März 2025: Symbolische Übergabe des offiziellen Antrags in Brüssel. Dabei überreichten Vertreter der Lausitz gemeinsam mit Staatssekretären aus Brandenburg und Sachsen den Antrag an EU-Kommissar Stéphane Séjourné – ein symbolischer Akt um die Unterstützung des Antrags auf europäischer Ebene sichtbar zu machen.