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Landwirtschaft, Solarstrom und Biodiversität auf einer Fläche: Das Agri-PV-Projekt von Elysium Solar GmbH in Selchow (Dahme-Spreewald) soll 2025 an den Start gehen.
Grafik: Elysium Solar GmbH

Trend Agri-PV

Doppelte Ernte auf Brandenburgs Feldern

Von Projektleiterin
Brita Friedel

Erneuerbare Energien sind ein wichtiger Bestandteil der Energiewende. Sie haben aber auch einen Run auf Brandenburgs Felder ausgelöst. Der Druck auf Ackerflächen für neue Solaranlagen ist groß, die Lage angespannt. Pachtpreise steigen für Landwirte. Sie müssen sich entscheiden: Landwirtschaft oder Energieerzeugung? Das muss nicht sein. Das Zauberwort heißt: Agri-PV – eine neue Form der Doppelnutzung von landwirtschaftlichen Flächen erobert Brandenburg.

Damit sind aber nicht grasende Schafe zwischen der herkömmlichen Freiflächen-Solaranlage gemeint. Bei Agri-PV bleiben Landwirten nämlich mindestens 90 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche und die EU-Agrarsubventionen erhalten – während gleichzeitig Grünstrom mithilfe von Photovoltaikanlagen „geerntet“ wird. Wie das geht? Ganz einfach: Pflanzen gedeihen oder Rinder grasen künftig unter Solarmodulen. So werden weiter Agrarprodukte erzeugt und zusätzlich Erneuerbare Energie gewonnen.

Stromnetz Grafik

Redakteurin Brita Friedel im Gespräch mit Prokurist Richard Härtel der Elysium Solar GmbH.
Foto: SPREE-PR/Friedel

Vorreiter Brandenburg

In ganz Deutschland werden bereits 30 solcher Flächen betrieben. Noch steckt Agri-PV in Brandenburg in den Kinderschuhen. Das soll sich ändern. Bis Jahresanfang 2025 geht im Ortsteil Selchow der Flughafengemeinde Schönefeld (Dahme-Spreewald) auf 70 Hektar eine der größten kommerziellen Agri-PV-Anlagen Europas an den Start. Bei dem Projekt der Elysium Solar GmbH aus Berlin wird auf innovative Technologien gesetzt. Die Solarmodule befinden sich in rund 3,50 Meter Höhe, werden in Reihen in Nord-Süd-Richtung so montiert, dass diese frei beweglich sind, um dem Sonnenverlauf in Ost-West-Richtung zu folgen (sogenannte PV-Tracker) und Pflanzen genug Licht zum Gedeihen zu lassen. Auch die Unterseiten der Solarmodule sind geeignet, um reflektierendes Licht für die Stromproduktion zu nutzen. „In Selchow wird so Grünstrom für rund 40.000 Menschen erzeugt“, erklärt Prokurist Richard Härtel der Elysium Solar GmbH. „Die Reihenabstände zwischen den hoch aufgeständerten Solarmodulen sind mit 12 Metern breit genug, damit auch Traktoren problemlos den Acker bearbeiten können. Insgesamt bleiben mindestens 90 % der Fläche verpflichtend für die Landwirtschaft.“ Blühstreifen direkt unter der Solaranlage sorgen zudem für Biodiversität und locken Insekten an.


„Akzeptanz ist eigentlich knappe Ressource der Energiewende.”

— Richard Härtel

2 Fliegen mit einer Klappe

„Das ist keine rocket science“, sagt Prokurist Richard Härtel. „Solche Anlagen laufen bereits erfolgreich in Italien, Frankreich, China und den USA. Nur Deutschland hinkt hier hinterher.“ Insgesamt 20 weitere Projekte sind beim Investor Elysium Solar GmbH derzeit in Planung, viele davon in Brandenburg. Alle würden individuell auf den Landwirt angepasst. So kann mit der Errichtung der Solaranlagen kostengünstig auch eine Bewässerungsanlage mitinstalliert werden. „Das schont zusätzlich die Ressource Wasser. Die Energiewende wird im ländlichen Raum entschieden und braucht echte Angebote“, beschreibt Richard Härtel die Motivation hinter Agri-PV. „Dabei ist die Akzeptanz die eigentlich knappe Ressource der Energiewende.“

Die Gemeinde Schönefeld hat das Projekt einstimmig unterstützt. „Auf der Fläche wurden bislang Mais (Futtermittel) angebaut. Diese Nutzung barg insbesondere für den in unmittelbarer Nähe gelegenen Flughafen BER ein erhöhtes Vogelschlagrisiko, sodass wir über eine Nutzungsänderung nachgedacht haben“, so die Sprecherin der Gemeinde Schönefeld Solveig Schuster. „Die Agri-Photovoltaikanlage schlägt demnach zwei Fliegen mit einer Klappe. Sie leistet einen Beitrag zur Energiewende und Klimaneutralität, zugleich können die Flächen zwischen den Modulen weiter landwirtschaftlich genutzt werden.“

Synergie-Effekte

Für Klaus Müller, Professor für Agrarökonomie am Leibnitz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung in Müncheberg (Märkisch-Oderland) ist Selchow ein echtes „Leuchtturmprojekt“. Er begleitet zusammen mit anderen Partnern seit einigen Jahren Forschungen zu Agri-PV in einem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) finanzierten Forschungsprojekt und sieht für das Flächenland Brandenburg großes Potenzial. „Mittelfristig könnte so ein signifikanter Teil der Agrarflächen für die Energiewende genutzt werden. Die Agrarflächen sind einfach zu knapp für eine rein monofunktionale Nutzung“, sagt er. „Die Zukunft heißt multifunktionale Nutzung.“

Und er sieht noch weitere Vorteile für die Landwirtschaft. „Wir haben in der kalten Jahreszeit viel Niederschlag, aber im Frühling zur Hauptwachstumszeit oft große Trockenheit, was zu hohen Ernteausfällen führt“, so Klaus Müller. „Die Beschattung durch die PV-Anlagen trägt dazu bei, Phasen großer Trockenheit zu überbrücken, weil die Verdunstung um bis zu 30 Prozent reduziert wird. Der Boden trocknet langsamer aus. Gleichzeitig reduzieren die PV-Anlagen die Winderosion.“ Zudem würden Kulturen wie Äpfel und Himbeeren zusätzlich vor Sonnenbrand und Hagel geschützt. Hagelnetze würden überflüssig.