In der Bürgerwerkstatt Schwedt steht allen offen: technikbegeisterte Helfer unterstützen gern bei Reparaturen.
Foto: SPREE-PR/Friedel
Besuch in der Bürgerwerkstatt in Schwedt
Das wird repariert
Kampf der Wegwerfgesellschaft! Das Europaparlament in Straßburg hat das „Recht auf Reparatur“ beschlossen. Wenn Kühlschränke oder andere elektrische Geräte nicht mehr funktionieren, können sich Kunden leichter an die Hersteller wenden. Reparatur statt Müll: Das ist das, was die Helfer in der Bürgerwerkstatt an der Gesamtschule Talsand und ihren regelmäßig stattfindendem Reparaturcafé in Schwedt schon lange tun. Anlässlich des Tages der Reparatur am 21. Oktober 2024 haben wir den Ort der Hilfe zur Selbsthilfe in Schwedt besucht – eines von 1.000 Reparaturcafés in Deutschland.
Brita Friedel
Es ist kurz nach 18 Uhr, als der erste Hilfesuchende kommt. Horst Grüschow hat kein defektes Gerät dabei. Ganz im Gegenteil. Der Schwedter hat sich gerade einen neuen PC zugelegt. „Damit ich meine Spiele spielen kann“, sagt er. Er braucht Hilfe beim Einrichten und hat Glück.
Ilker (F. li.) und Daniel vom „DLK“, der Nachbarschaftshilfe für technische Belange, richten für Horst Grüschow einen PC ein, damit seine Spiele wieder laufen.
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Heute sind unter den fünf Helfern vor Ort auch die Gymnasiasten Ilker (18) und Daniel (17). Sie betreiben innerhalb der Bürgerwerkstatt das „DLK – Digital Liberty Knights“, eine Nachbarschaftshilfe in technischen Belangen (siehe Infokasten rechts). Normalerweise besuchen sie Senioren zu Hause. „Gerade viele Ältere sind mit dem Einrichten von Smartphones und Computern überfordert“, weiß Ilker. „Sie wollen ja in Kontakt mit den Enkeln, mit den Kindern bleiben. Wir sind mit der Technik aufgewachsen. Manchmal sind es auch komplizierte Probleme oder irgendwas mit dem Fernseher ist kaputt.“ Beim PC von Herrn Grüschow ist es heute einfach. „Wir richten jetzt den PC so ein, dass er ihn von zu Hause nur noch starten muss“, so Daniel. Bezahlen muss er Herr Grüschow nichts.
Kostenlose Hilfe zur Selbsthilfe
Lediglich Ersatzteile, die neu besorgt werden müssen, fallen als Kosten an, sagt Sven Ketel, Informatik-Lehrer und Initiator der Bürgerwerkstatt, auch Makerspace genannt. „Wir sind keine Firma. Wir bieten lediglich Hilfe zur Selbsthilfe. Die Leute schrauben eigentlich alles alleine auseinander. Natürlich kann die Omi mit 80 nicht den Schraubenzieher in die Hand nehmen, dann machen wir das. Aber eigentlich reparieren die Leute ihre Geräte selbst mit unserer Unterstützung.“
Initiator der Bürgerwerkstatt: Sven Ketel vor einer Werkbank.
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Helfer Herr Laurisch beim Löten.
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Fehlersuche beim defekten Verstärker: Saxophonspieler Ralf Kliche (re.) braucht ihn dringend zum Proben.
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50 % der Geräte gerettet
Mit „wir“ meint Sven Ketel die Helfer in der Bürgerwerkstatt, allesamt Mitglieder im 2018 gegründeten Trägerverein „Jugend trifft Technik e. V.“, der viele handwerklich, technisch, naturwissenschaftlich orientierte Arbeitsgemeinschaften für Schüler ab Klasse 5 wie AG Raketen-Modellbau anbietet. Die meisten sind Rentner, technikbegeistert, einer hat früher ein Kraftwerk instandgehalten.
50 Prozent der defekten Geräte bekäme man wieder flott. Rund 400 bis 500 Gegenstände konnten hier so vorm Schrott bewahrt werden. Seit 2021 findet meist vier Mal im Jahr auch das Reparaturcafé „Event-Repair und mehr“ statt.
Unterdessen haben sich zwei Mitstreiter an einen defekten Verstärker gemacht. Ralf Kliche hat ihn gerade vorbeigebracht. Der Rentner spielt Saxophon in der Band „Seniori“. „Ich brauche den Verstärker zum Üben“, sagt er. „Ein neuer kostet schon 600 bis 700 Euro.“ Das müsse nicht sein.
Plattform für Ersatzteile
Das findet auch Sven Ketel, der das neue EU-Recht begrüßt, das die Rechte der Kunden deutlich stärkt. Die Gewährleistung verlängert sich, Ersatzteile sollen zur Verfügung stehen und nicht mehr teurer als das ganze Gerät sein. Die EU-Staaten haben nun noch bis Februar 2026 Zeit, die neuen Reparatur-Regelungen in nationales Recht zu übertragen. Sven Ketel gehen diese allerdings nicht weit genug. „Es müsste eine zentrale Plattform für Ersatzteile geben, in der man nur die Gerätenummer eingibt und dann auf den Hersteller und richtige Seite verlinkt wird“, fordert er. „Das Schlimmste ist ja, du suchst dich nach Ersatzteilen dumm und dämlich.“ Ebenso wären Konstruktionsdateien für Ersatzteile erstrebenswert, die Hersteller zur Verfügung stellen. Viele Ersatzteile ließen sich längst selber auf dem 3D-Drucker erstellen. „Wir müssen nachhaltig werden und nicht so viel wegschmeißen.“
Der Verstärker funktioniert übrigens wieder. „Da freue ich mich total“, jubelt Ralf Kliche. „Endlich klappt mal was.“ Auf jeden Fall ist es ein Teil weniger auf dem Müll.
Das nächste „Event-Repair und mehr“ findet am 29. November 2024 ab 15 Uhr in der Gesamtschule Talsand in Schwedt statt.
Bürgerwerkstatt Schwedt
Gewann den Nachbarschaftspreis 2022 und mit „Event Repair und mehr…“ den Hauptpreis „Machen 2021“ des Bundesbeauftragen für die neuen Länder! Ausstattung: 3-D-Drucker, Lasercutter, Fräsen, ein Schneidplotter, Arbeitsplätze für Lötarbeiten und Mikroelektronik, PC- und Medientechnik, Maschinen für die Holzbearbeitung und Stick- und Nähmaschinen.
Digitale Nachbarschaftshilfe
Bei Problemen mit Smartphone, PC & Laptop hilft das „DLK“ Freitag und Samstag. Die Technikenthusiasten Ilker und Daniel sind in Schwedt per WhatsApp erreichbar unter Tel.: 0176 5598 6641 oder per Mail dlk@techbil.de
Repair-Cafés in der Nähe
Lübbenau: Immer dienstags
15 bis 17 Uhr. Im AWO Bildungszentrum, A.-v.-Humboldt-Straße 43, 03222 Lübbenau/Spreewald,
www.makerkutsche.de
Spremberg: Offene Werkstatt,
„Make & Repair“ immer Do
16 –18 Uhr. Alle Termine: 05.09., 12.09., 19.09., 26.09., 10.10., 17.10., 07.11. und 14.11.2024. Poststr. 1, 03130 Spremberg, www.owspremberg.de
Unter www.repaircafe.org findet man offene Werkstätten in Wohnortnähe sowie weltweit 3.191 Reparaturcafés.