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Industriemalerei am EEW-Kraftwerk in Premnitz (Havelland). Der „Havelspaziergang“ ist Brandenburgs größtes Gemälde und gleich prominent sichtbar, wenn man die Stadt mit Auto oder Bahn erreicht.
Foto: SPREE-PR/Petsch

Fassadenkunst

Schöne Illusionen

Technische Bauwerke erfüllen eher funktionale Anforderungen, als dass sie durch ihr Design eine besondere Außenwirkung haben müssen. Aber es geht auch anders. Ein Fassadenkünstler aus dem Havelland hat es sich zum Ziel gesetzt, diese Industriegebäude und kahlen Fassaden von Hauswänden nicht nur zu verschönern. Der Premnitzer Marco Brzozowski nutzt sie als überdimensionale Leinwände seiner Fantasien und schafft mal fotorealistische Gemälde, mal dreidimensionale Illusionen, die dem Betrachter völlig neue Wirklichkeiten schenken.

Auch das größte Gemälde Brandenburgs stammt von ihm. Es findet sich in seiner Heimatstadt Premnitz. Der „Havelspaziergang“ prangt seit 2020 auf 2.250 Quadratmetern am EEW-Kraftwerk Premnitz. Wer mit dem Zug anreist oder über die B 102 aus der Stadt Brandenburg kommend nach Premnitz fährt, kann schon von weitem die Industriemalerei nicht übersehen. Es ist ein echter Hingucker. Gänse und Schwäne sind abgebildet, man sieht Flora und Fauna. Die Müllverbrennungsanlage verschmilzt so fast mit der Umgebung. „Es ist eine Art Ode an das Westhavelland, an das Naturschutzgebiet und an die Havel“, erklärt der Fassadenkünstler Marco Brzozowski alias „306art“. In der Nachbarstadt Rathenow finden sich faszinierende Illusionen an Giebelwänden, unter anderen ein Prisma, in dem Licht bricht. Es soll an Johann Heinrich August Duncker, als Begründer der optischen Industrie in Deutschland erinnern.

Fassadenkünstler Marco Brzozowski.
Fotos: www.360art.de

Der gelernte Mediengestalter für Design hatte sich 2007 mit seiner Graffitti-Kunst selbstständig gemacht. Angefangen hatte alles in Schwedt. „Mein Grundgedanke war: Welche Stadt kann Farbe vertragen?“, erinnert er sich. Ihm fiel der Ausflug seines Handballvereins TSV Chemie Premnitz Anfang der 90er Jahre nach Schwedt ein. „Damals dachte ich, ,Oh Gott, alles so grau’.“ Er schrieb die Stadtwerke Schwedt an und traf auf Interesse. „Wir haben gleich losgelegt, Ideen entwickelt, Entwürfe umgesetzt.“ In Schwedt wurde nicht gekleckert, sondern geklotzt. Insgesamt 8.000 m2 grauer Beton verwandelten sich über die Jahre in Kunstwerke. Wärmeübertragungsstationen (WÜST) wurden „Unterwasserwelten“, oder einem „Monument der Elektrizität“. Auch Wohnungsbaugesellschaften ließen hier kahle Fassaden und Giebel verschönern.

Die neue Fassade der Wärmeübertragungsstation in Schwedt soll Einblicke in die Wärmeversorgung geben: Ähnlichkeit der Gesichter der Tiere mit Stadtwerke-Mitarbeitern sind natürlich rein zufällig.
Fotos: www.360art.de

Gebäude optisch öffnen

„Mein größter Lohn ist, wenn Leute zu mir kommen und sich bedanken. Das ist meine Motivation“, sagt er. Auch in diesem Sommer konnten die Schwedter ihm über die Schulter schauen. Nach der energetischen Sanierung der WÜST neben der Talsand-Gesamtschule wurden auch die Fassadenbilder „Schwedter Tierpark“ erneuert (siehe Foto unten). Mit einem frischen Motiv. Dabei wurde das technische Gebäude vom Künstler visuell geöffnet. „Man guckt nun rein, da drinnen ist viel Grün, viel Pflanzen, viel Technik zur Wärmeversorgung und Erneuerbaren Energien zu sehen“, erklärt er. Die beliebten Tiere durften bleiben, nahezu am gleichen Platz, nur im anderen Gewand. Für solch ein Projekt „verschwindet“ schon mal der Inhalt von 1.000 Sprühdosen auf der Fassade.

Die eigentliche Arbeit beginnt aber schon viel früher – mit einer Idee, mit Bildern im Kopf, die am Computer zum Leben erweckt werden müssen. Die Übertragung eines Entwurfes auf die Fassade erfolgt dann immer in Schichten. Der Künstler sprüht sich von „hinten nach vorne“. Zuerst entstehen z.B. Horizont und Himmel, die Mimik von Gesichtern etwa ganz am Ende. Die Bilder sollen dabei immer einen Bezug zu den Menschen haben, die im Umfeld leben. Sie sollen sich wiederfinden.

Für die Darstellung des ganz normalen Lebens der Bewohner in einer „Platte“ bekam der Künstler von der Stadt Bernburg den Stadtverschönerungspreis 2021.
Fotos: www.360art.de

Besonders gut ist Marco Brzozowski das bei der Verschönerung eines sanierten 70er-Jahre-Wohnquartiers in der Stadt Bernburg (Sachsen-Anhalt) gelungen. Mit einem aufwändigen 3-D-Fassadenbild stülpte er das vielfältige Leben der Bewohner im Inneren der „Platte“ nach außen. Dafür gab es den Stadtverschönerungspreis 2021.

Alles nur eine Illusion: Eine Familie in Angermünde wünschte sich ein „Hundertwasserhaus“.
Fotos: www.360art.de

Heute schätzen deutschlandweit Industrie- und Wirtschaftsunternehmen, Energieversorger, Stadtwerke, Wohnungsbauunternehmen sowie Städte und Gemeinden die Kreativität des Premnitzers. Aber es kommt auch vor, dass sich Privatleute an ihn wenden. Und so steht nun in Angermünde (Uckermark) ein Hundertwasserhaus – zumindest die Illusion davon. Die Besitzer des Wohnhauses hatten sich eine Fassade in der Anmutung des österreichischen Künstlers gewünscht.